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Datum: 22.04.2024

Über 150.000 Streuobstbäume im Enzkreis - »Tag der Streuobstwiese« am 26. April rückt bedrohten Lebensraum in den Fokus

Jetzt blühen sie wieder, die Obstbäume draußen in der Landschaft, und jeder Spaziergang und jede Radtour wird zum Genuss. „Der Enzkreis ist nicht nur einer der streuobstreichsten Landkreise in Baden-Württemberg“, wie Holger Nickel, Dezernent für Landwirtschaft, Forsten und öffentliche Ordnung, betont. „Der Enzkreis ist zusammen mit vielen anderen Akteuren auch landesweit einer der aktivsten Landkreise bei der Förderung des Streuobstanbaus und betrachtet den Tag der Streuobstwiese als wichtigen Baustein zur Bewusstseinsbildung für dieses Thema. Denn hier werden nicht nur die vielfältigen, positiven Aspekte der Obstwiesen näher beleuchtet, sondern auch die damit verbundenen Herausforderungen und Probleme.“

Über 150.000 Obstbäume tragen nach Nickels Worten nicht nur zu einer gerade im Frühling spektakulären Landschaft bei, sondern bieten auch unzähligen Insekten, Vögeln und Kleintieren einen Lebensraum. In der öffentlichen Wahrnehmung genieße die Obstwiese daher eine hohe Wertschätzung. „Ein großes Problem bei den pflegeintensiven Streuobstwiesen ist jedoch ihre geringe wirtschaftliche Bedeutung“, ergänzt Bernhard Reisch, der beim Landwirtschaftsamt des Enzkreises als Fachberater für Obst- und Gartenbau viel mit der Pflege von Streuobstwiesen zu tun hat. „Bei den Wiesenbesitzern führt dies oft zu einem nachlassenden Interesse bei der Baum- und Wiesenpflege. Mängel bei der Pflege, fehlende Neupflanzungen, aber auch der Klimawandel mit Hitzephasen und neu auftretenden Krankheiten und Schädlingen gefährden die Obstwiesen in der Region.“ Krankheiten wie Rindenbrand, Birnenverfall oder auch parasitische Gewächse wie die Laubbaummistel seien leider Gewinner des Klimawandels und könnten Obstbäume zum Absterben bringen.

„Der Enzkreis ist sich seiner Verantwortung für diese wertvollen Landschaftsbestandteile jedenfalls bewusst und registriert mit großer Besorgnis die zahlreichen Herausforderungen“, versichert auch Corinna Benkel, die das Landwirtschaftsamt leitet. Es sei dem Landkreis ein großes Anliegen, mittels vielfältiger Aktionen, Projekte und Fördermaßnahmen die Streuobstwiesen zu sichern und zukunftsfähig zu machen. So gebe es in ihrem Amt schon seit Jahrzehnten die klassische „Obstbauberatung“, die durch die Vermittlung von Fachwissen, die Beratung in Fachfragen und die Bereitstellung von Informationsmaterial Obstwiesenbesitzer fachlich unterstützt.

Bei den regelmäßig angebotenen, mehrtägigen Schnittkursen und der umfangreichen Fachwart-Ausbildung werden praxisnahe Kenntnisse vermittelt. „Das gemeinsame Arbeiten im und am Baum sorgt erfahrungsgemäß für einen regelrechten Motivationsschub für die Obstwiesenpflege und führt zu einer Vernetzung Gleichgesinnter“, berichtet Reisch, der die Kurse leitet. Der dem Landratsamt angegliederte Landschaftserhaltungsverband kümmere sich ebenfalls sehr engagiert um die Pflege der Streuobstwiesen und dabei insbesondere um die landschaftsprägenden Mostbirnbäume.

Und in einem Punkt sind sich alle Beteiligten einig: Ein wichtiger Aspekt, um die Bewirtschaftung und Pflege der Obstwiesen nachhaltig zu sichern, ist die Unterstützung bei der wirtschaftlichen Nutzung der Obsterträge. „Deshalb engagiert sich der Enzkreis auch beim Erhalt und Ausbau der örtlichen Mostereien. Mit der Organisation von Streuobstmärkten im Herbst wird ein beliebtes Format für den Verkauf von Früchten und Produkten aus heimischen Obstwiesen angeboten“, erläutert Nickel.

Zudem lägen dem Landkreis und seinen Kooperationspartnern auch die Bewahrung und Verbreitung enzkreis-typischer Lokalsorten sehr am Herzen. Für die „Birkenfelder Hakenbirne“, die „Renette von Serres“ und die „Ersinger Frühzwetschge“ habe der Enzkreis sogar eine Kreispatenschaft übernommen. Reisch: „Diese und viele andere Lokalsorten sind im Obstsortenmuseum auf Gemarkung Kieselbronn angepflanzt. Im Herbst kann dort die Vielfalt dieser Obstsorten besichtigt und verkostet werden.“

Neben den genannten Aktionen und Angeboten gibt es noch eine Vielzahl weiterer Fördermaßnahmen: So werden schon Kinder im Grundschulalter mit dem Schulprojekt „Die Streuobstwiese – unser Klassenzimmer im Grünen“ über ein ganzes Jahr spielerisch an die Bedeutung einer Obstwiese herangeführt. Das Landratsamt koordiniert und fördert auch diese Aktion, an der sich jedes Jahr zwischen 30 und 40 Klassen beteiligen.

Aktuelle Herausforderungen wie der massiv zunehmende Mistelbefall an Apfelbäumen sorgen zudem für neue Aufgabenfelder. In einer konzertierten Aktion versuchen derzeit Gemeindeverwaltung, Obst- und Gartenbauverein, Landschaftserhaltungsverband, Landwirtschaftsamt und Obstbaufachwarte, den Mistelbefall auf Gemarkung Ölbronn-Dürrn einzudämmen.
(enz)