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Folge 10: Milchviehhaltung

„Reiten, Kutsche fahren und Pferdezucht sind meine Hobbys“, sagt Heiko Schwaab, 28 Jahre alter Landwirtschaftsmeister. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Sarah hält er sechs Pferde.

Er sei zufrieden mit seinem Leben; so machten auch die „paar Stunden mehr“ nichts aus. Mit den „paar Stunden mehr“ bringt es Schwaab auf mehr als 3800 Arbeitsstunden im Jahr. Und sein Leben, das ist der landwirtschaftliche Betrieb in Niefern-Öschelbronn mit 285 Milchkühen und 240 Hektar, davon ein Drittel Grünland und zwei Drittel Ackerbau. Diesen bewirtschaftet er gemeinsam mit seinen Eltern Christian und Franziska, beide 62. Immerhin sei ab und zu eine Auszeit drin, wenn auch nur für ein paar Stunden oder wenige Tage. „Im Kuhstall ist eine Videokamera installiert, und da schaue ich selbst aus der Ferne mal rein, ob alles in Ordnung ist.“

Außerdem sind zwei Personen in Vollzeit beschäftigt, seine Cousine und ein ehemaliger Azubi. Schwaab dazu: „Arbeitskräfte zu bekommen, ist schwierig. Das gilt besonders für ausgebildetes Personal. Es darf nichts dazwischenkommen. Bei Urlaub oder im Krankheitsfall muss die Arbeit immer von den wenigen anderen Schultern getragen werden. Um Saison-Arbeitskräfte einzusetzen, fehlt der nötige Wohnraum. Die Nähe von Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart mit einem hohen Angebot an Arbeitsplätzen erschwert die Suche nach geeigneten Mitarbeitern zusätzlich. Arbeiten in der Landwirtschaft kann nicht jeder verrichten; man braucht ein hohes Verantwortungsgefühl und auch mal die Bereitschaft, mehr Zeit zu investieren, wenn ein Tier oder das Wetter es fordern.“

Seine Lebensgefährtin ist Groß- und Außenhandelskauffrau. „Ich gehe im landwirtschaftlichen Unternehmen auf, deshalb kehre ich meinem alten Beruf den Rücken“, sagt sie. Die Arbeit auf dem Hof habe sie nicht abgeschreckt. Ihre Eltern betreiben in Ulm einen kleinen Pferdehof und die Tiere liegen ihr am Herzen.

Fulltime-Job trotz maschineller Unterstützung

Gemolken wird morgens und abends jeweils ab halb fünf Uhr. Feierabend ist dann meist gegen 19:30 Uhr. Die Stallarbeit allein umfasst laut Schwaab fast 24 Stunden am Tag, die sich auf mehrere Arbeitskräfte verteilen. Und das, obwohl im modernen Melkstand 32 Kühe gleichzeitig gemolken werden können und ein Futtermischwagen die Fütterung sehr erleichtert. Gehalten wird überwiegend die schwarz-bunte Rasse Holstein-Friesian, die auf Milchleistung gezüchtet ist. „Unsere Kühe geben im Schnitt 9.800 kg Milch pro Jahr“, erläutert Betriebsleiter Schwaab. „Einige haben sogar schon eine Lebensleistung von über 100.000 kg Milch hinter sich. Das zeigt, dass sich die Kühe wohlfühlen.“

Neben den Milchkühen halten die Schwaabs 180 weibliche Jungrinder, die als Nachzucht für die Milchviehherde dienen. Etwa 70 Prozent der Kühe werden mit fleischbetonten Rassen künstlich befruchtet. Für ihre Kälber lässt sich dann ein höherer Preis erzielen. Für die 30 Prozent besten Kühe wird weiblich gesextes Sperma eingesetzt, so dass fast ausnahmslos weibliche Kälber geboren werden. Sie werden Milchkühe bei Schwaabs. Für die Jungrinder wird ein Deckbulle eingesetzt. „Der bekommt besser als wir mit, wenn ein Rind brünstig ist. Somit erspart er uns einige Arbeit“, begründet der Landwirtschaftsmeister. Die Kühe sind zum Teil hornlos gezüchtet, zum Teil enthornt, um die Verletzungsgefahr bei Rangkämpfen untereinander und für das Personal zu vermeiden. Auf die Weide gehen die Kühe nicht. Das wäre bei der großen Zahl der Tiere arbeitswirtschaftlich nicht zu bewältigen. Außerdem fehlt es hierfür an angrenzenden Weideflächen. Die Kühe sind jedoch nicht angebunden; es steht ihnen ein Laufhof mit 500 Quadratmetern zur Verfügung, auf dem sie sich frei bewegen können. Zum Wiederkäuen und Ausruhen steht jeder Kuh ein Liegeplatz zur Verfügung, der mit Stroh und Sägespänen eingestreut ist.

Die Tiere werden im Stall nur durchs Dach und Windschutznetze vor der Witterung geschützt. Probleme gab es laut Heiko Schwaab bisher selten; erst ab Temperaturen von minus fünfzehn Grad wird es in Bezug auf Entmistung und Wasserversorgung kritisch. „Bei hohen Temperaturen ziehen sich die Tiere dagegen in den Stall zurück und geben weniger Milch. Sie haben dann einfach Stress.“

Gutes Futter sorgt für gesunde Kühe

Das Futter der Tiere besteht aus Heu, Luzerne-, Gras- und Maissilage sowie Kraft- und Mineralfutter. Kraftfutter, das im Wesentlichen aus Getreide besteht, wird möglichst geringgehalten. Das ist besser für die Gesundheit der Kühe und den Geldbeutel des Landwirts. Umso wichtiger ist eine optimale Qualität der Mais- und Grassilage. „Den Tierarzt brauchen wir zum Glück kaum“, freut sich Schwaab.

Die erzeugte Milch, immerhin fast drei Millionen kg jährlich, holt die Pforzheimer „Milchwirtschaftliche Vereinigung“ ab, an der die Schwaabs beteiligt sind. Von dort gelangt sie an das niederländische Unternehmen „Campina“. Die Milch wird im Werk in Heilbronn vorwiegend zu Trinkmilch, Joghurt und Sahne verarbeitet. „Der Milchpreis ist in letzter Zeit deutlich gestiegen“, so Schwaab. „Die ebenfalls gestiegenen Produktionskosten werden durch den höheren Auszahlungspreis jedoch leider nicht ausgeglichen.“

Schwaabs Zufriedenheit bedeutet nicht, dass ihm nicht einige Bedingungen zu schaffen machen. Er nennt die allgemeine Diskussion über Umweltschutz sowie die Tierhaltung. Im Zuge des Ukrainekriegs erhofft er sich eine größere Wertschätzung der heimischen Landwirtschaft. Spaziergänger rümpften schon mal die Nase, wenn sie einem Güllefass begegneten. Deshalb werde Gülle gezielt werktags direkt auf den Boden ausgebracht. Dadurch wird die Geruchsbelästigung spürbar verringert und der Nutzen dieses wichtigen organischen Düngers erhöht. Angesichts explodierender Preise für Mineraldünger bei gleichzeitig mangelhafter Verfügbarkeit ist die Gülle heute mehr wert denn je. In seinem Betrieb decke die Gülle einen Großteil des Düngerbedarfs, hält Schwaab fest.

Eine Herausforderung für den Betrieb stelle der schnelle Wandel dar, weshalb man ständig am Ball bleiben und sich fortbilden müsse. „Das tue ich hauptsächlich im Internet, aber auch durch Fachzeitschriften und Seminare“, erklärt der Landwirtschaftsmeister. Was die Landwirtschaft sehr belaste, seien die sich ständig ändernden politischen Rahmenbedingungen. Hier wünscht er sich mehr Verlässlichkeit.