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Datum: 24.05.2023

Klima und Wald: Unsere Wälder müssen sich anpassen - aber wie?

Spätestens seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verursacht der Mensch steigende CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre. Bäume und Wälder sind von Klimawandel und extremen Wetter-Ereignissen stark betroffen und zunehmenden Risiken ausgesetzt. Sie sind aber nicht nur Opfer, sondern können auch Teil der Lösung sein, denn sie binden große Mengen des klimaschädlichen CO2.

Flora und Fauna passen sich ständig an die Veränderungen ihrer Lebensbedingungen an: Nur angepasste Arten überleben und vermehren sich. Ändert sich das Klima, breiten sich Tiere und Pflanzen, auch Bäume, in eine Richtung aus oder verschwinden in anderen Regionen. Anhand von Pollenablagerungen in Mooren konnte beispielsweise untersucht werden, wie schnell sich einzelne Baumarten nach den letzten Eiszeiten ausgebreitet haben: In 100 Jahren bewegten sie sich zwischen 6 und 55 Kilometern.

„Aufgrund der enormen Geschwindigkeit im heutigen menschengemachten Klimawandel müssten es jedoch in 100 Jahren zwischen 300 und 700 Kilometern sein“, fasst Dr. Axel Albrecht, stellvertretender Leiter des Forstamts, Experten-Schätzungen zusammen: „Das heißt, die natürliche Anpassung müsste zehnmal schneller erfolgen, als es bisher beobachtet wurde.“ Deshalb erscheine es geraten, die Waldentwicklung in Teilen zu unterstützen. „Gesucht sind dabei Wälder, Baumarten und Einzelbäume mit erhöhter Dürretoleranz, Resilienz gegenüber Störungen und allgemein hoher Anpassungsfähigkeit“, beschreibt der Forstmann das Anforderungsprofil.

Aktive Anpassung: Säen und pflanzen – aber was?

Wälder können aktiv angepasst werden, indem klimageeignete Baumarten gesät oder gepflanzt werden. „Als erste Priorität bieten sich heimische Baumarten an, die eine höhere Dürretoleranz als die aktuell vorhandenen haben“, sagt Albrecht und nennt Hainbuche, Elsbeere, Speierling oder Kirsche als Beispiele zur Ergänzung in Buchenwäldern. „Zweite Priorität haben Arten aus angrenzenden Regionen, wo ein Klima herrscht, das wir bei uns in der Zukunft erwarten“, so Albrecht. In Frage kämen die Ungarische Eiche, Baumhasel oder die Orientbuche.

An der dritten Priorität scheiden sich die Geister: Dabei handelt es sich laut Albrecht um außereuropäische Bäume, die an unsere zukünftigen Klimabedingungen angepasst sind, wie die nordamerikanische Roteiche, der Tulpenbaum, die Douglasie oder die nordafrikanische Atlaszeder. „Hier stellt sich die Frage, ob Pflanzungen die Lebensgemeinschaft Wald unzulässig verändern.“ Häufig werde argumentiert, dass es in Ordnung sei, wenn die Arten sich nicht unkontrolliert und invasiv weiter ausbreiten und vor allem auch wieder entfernt werden könnten.

In vorhandenen Waldbeständen kann der Förster Stabilität und Resilienz von besonders vitalen Einzelbäumen fördern, indem er bedrängende Nachbarbäume entfernt. Außerdem kann er den Anteil klimageeigneter Baumarten erhöhen, indem er weniger geeignete Arten entnimmt. Im Rahmen von Durchforstungen kann er den Strukturreichtum der Wälder erhöhen, was sich positiv auf die Lebensraumvielfalt und damit die Biodiversität auswirkt: „Strukturreiche Wälder gelten allgemein als klimaresilienter“, weiß Axel Albrecht.

Passive Anpassung: Der Wald hilft sich selbst

Forstleute müssen nicht immer und überall eingreifen, sondern sollten die Naturdynamik beobachten und gut abgewogen reagieren, rät der Experte. „Wir wissen noch lange nicht alles über die Anpassung von Wäldern und Bäumen an ihre Standorte und Klimabedingungen.“ Der Samen ein und desselben Baumes könne ganz unterschiedlich keimen und je nach Umgebung eine unterschiedliche Dürretoleranz entwickeln oder verschieden schnell wachsen – „wie eine frühkindliche Prägung.“

Studien über dieses Phänomen seien vor allem bei Laubbäumen leider noch Mangelware, bedauert der Forstwissenschaftler. Er hält es aber für sinnvoll, dass sich Bäume auf einem angemessenen Teil der Waldflächen von selbst ansamen sollten – „selbst, wenn wir heute glauben, dass die jeweilige Art nicht gut an das zukünftige Klima angepasst ist. Baumpopulationen passen sich lokal an, indem nur angepasste Individuen keimen. Und diese erfolgreich keimenden Bäume werden durch die Frühprägung an die Klimabedingungen ihres Standortes weiter angepasst.“

Egal ob aktiv oder passiv: die Anpassung der Wälder wird in unseren menschlichen Augen eher langsam und kontinuierlich verlaufen. „Es werden auch in Zukunft die heute heimischen Baumarten Buche, Tanne und Fichte wachsen, aber ihre Anteile dürften langfristig abnehmen und durch andere Baumarten mit besserer Klimaeignung ergänzt werden“, sagt Axel Albrecht und fügt hinzu: „Langfristig – das heißt innerhalb von Zeiträumen von mindestens 100 Jahren.“