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Folge 16: Pferdehaltung

Was macht die Landwirtschaft im Enzkreis aus? Wer prägt unsere Kulturlandschaft und produziert unsere Nahrungsmittel vor Ort? Die Artikelserie „Farm-Fenster" beleuchtet Aspekte der hiesigen Landwirtschaft und ihre Bedeutung für die Menschen in der Region. Der letzte Teil dieser Reihe widmet sich der Umsetzung von Maßnahmen zur Biodiversitätssteigerung auf einem Pferde haltenden Betrieb.

Ein Hof wandelt sich

Der Birkenhof in Neuhausen wird von Karen und Gerd Philipp, beide Diplom-Agraringenieure (FH), und ihrer Tochter Lara geführt. „Mit vier Jahren fing ich an zu reiten, mit sechs bekam ich das erste eigene Pony. Nach Abitur und Ausbildung zur Pferdewirtin habe ich Agrarwirtschaft mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ studiert“, da für mich immer klar war, dass ich in den Betrieb einsteige“, erklärt Lara Philipp.

Vater Gerd schaut zurück: „Im Jahr 1969 siedelte der Betrieb mit 45 Hektar - davon ein Drittel Grünland -, Kühen, Schweinen und Hühnern aus. Infolge zahlreicher Betriebsaufgaben kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe hat die bewirtschaftete Fläche stark zugenommen, da Familie Philipp die frei werdenden Flächen in ihre Bewirtschaftung aufgenommen haben.

In den neunziger Jahren stellte sich die Frage nach der Verwertung des vielen Grünlandes. Die nicht mehr rentable Milchkuhhaltung wurde aufgegeben, die Gebäude nach und nach zu Ställen umgebaut. Einen großen Schritt bedeuteten der Bau einer Reithalle und weiterer Boxen. Heute ist der Betrieb auf einhundert Hektar Heuwiesen und Koppeln angewachsen, davon der Großteil gepachtet. Außer dem Pensionspferdebetrieb bewirtschaften Tochter Lara und Vater Gerd Philipp den „Naturhof“, einen biologisch geführten landwirtschaftlichen Betrieb mit 140 Hektar Ackerfläche.

Die Pensionspferdehaltung
Im Betrieb Philipp stehen siebzig Einsteller-Pferde. Den Tieren wird einiges geboten: großzügige Sommer- und Winterkoppeln, eine geräumige Reithalle, Sandplatz, Longierhalle, Solarium, Führanlage sowie einiges an Service durch die Familie. Die Pferde haben viel Sozialkontakt, da sie in Herden auf die Weide gehen. Wer diese Haltung nicht wünscht, kann sein Pferd zu zweit, zu dritt oder auch einzeln halten.

Daneben gibt es vier Ponys für die Ponyreitschule. Die Nachfrage nach Reitunterricht ist enorm. „Ich kann gar nicht alles auffangen“, bedauert Lara Philipp. „Eine hochwertige Reitausbildung ist mir aber wichtig. Unterstützt werde ich deshalb von drei Reitlehrern, die auf eigene Rechnung arbeiten.“ Die Pferdewirtschaft hat den Vorteil, dass sie unabhängig von der Agrarpolitik ist. „Wir haben die Preise selbst festgelegt und verfügen über eigene Futtergrundlagen. Heu, Stroh und Hafer gewinnen wir aus unserem Betrieb, der Mist geht in den Kreislauf zurück. Außer Sägemehl wird kaum etwas zugekauft. Den Einstellern werden Gerste und Hafer sowie Heu und Stroh zur Verfügung gestellt“, erläutert die Pferde-Expertin.

Mutter Karen Philipp ist zuständig für das Management, die Buchführung, die Mitarbeiter und die Boxenbelegung für die Pferde. Sie übernimmt auch einen Großteil der Stallarbeiten, unter anderem das Füttern. „Und wir tun was für die Einsteller: Grillfest, Weihnachtsfeier, gemeinsames Essen, jährliche interne Reiterrallye oder Ähnliches“, stellt sie heraus.

Tierhaltung ist personalintensiv und zeitaufwändig: neben den drei Familienmitgliedern sind noch vier langjährige Minijobberinnen aus der näheren Umgebung unter anderem zuständig für Koppeldienst und Misten. Hinzu kommen eine Auszubildende und zwei weitere Minijobs im ackerbaulichen Öko-Betrieb.

Der Bio-Betrieb der Familie
„Der Naturhof, unser Ackerbaubetrieb, wurde 2017 gegründet und ist räumlich von der Pensionspferdehaltung getrennt. Das erleichtert uns die landwirtschaftliche Arbeit mit den großen Maschinen und sorgt außerdem für die Sicherheit der Kunden und ihren Tieren“, sagt Gerd Philipp über das zweite Standbein der Familie. „Zunächst wurden hierfür fünfzig Hektar vom ursprünglichen Betrieb herausgelöst. Später haben wir fast die gesamte Ackerfläche auf Bio umgestellt. Das Grünland bewirtschaften wir nach wie vor konventionell, da sich eine ökologische Pferdehaltung nur sehr schwer umsetzen lässt“, erklärt der Diplom-Agraringenieur.

Seit Sommer 2022 ist der biologische Ackerbaubetrieb „Naturhof“ Teil des Biodiversitätsnetzwerks Baden-Württemberg und Demonstrationsbetrieb des Enzkreises. Hier wird gezeigt, dass es keinen Widerspruch zwischen Biodiversität und Landwirtschaft geben muss. Die Wahl fiel auf den Hof von Familie Philipp, da bereits in den vergangenen Jahren vieles umgesetzt wurde, was in diesem Bereich zielführend ist. Zukünftig werden auf den Flächen des Naturhofes Methoden zur Erhaltung der Biodiversität im Ackerbau durchgeführt, bonitiert und ausgewertet. Die geplanten Maßnahmen reichen von weiten Reihenabständen im Getreideanbau über die Etablierung einer insektenfreundlichen Untersaat bis hin zur Schaffung von Rückzugsflächen für Insekten und Niederwild in Form von Blüh- und Altgrasstreifen.

„Im Zuge der Agrarreform 2023 werden Landwirte vermehrt dafür entlohnt, dass sie Maßnahmen zur Steigerung der Artenvielfalt auf ihren Flächen etablieren“, erklärt Ursula Waters, Regionalmanagerin der Bio-Musterregion Enzkreis. „Der Naturhof der Familie Philipp wird hierbei eine Vorreiterrolle für die Landwirte im Enzkreis einnehmen. Zusammen mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe werden wir den Erfolg der Biodiversitätssteigerungsmaßnahmen und deren Wirkung auf die schützenswerten Zielorganismen untersuchen“, erläutert Waters. „Außerdem gilt es herauszuarbeiten und zu quantifizieren, ob es für die Landwirte im Kreis wirklich einen pflanzenbaulichen und finanziellen Nutzen mit sich bringt, an den geförderten Maßnahmen teilzunehmen. Hiervon können sich Landwirte und Bürger ab dem kommenden Frühjahr bei einem geführten Rundgang über die Flächen von Familie Philipp selbst überzeugen.“