Sprungziele
Inhalt

Folge 9: Direktvermarktung

Was macht die Landwirtschaft im Enzkreis aus? Wer prägt unsere Kulturlandschaft und produziert unsere Nahrungsmittel vor Ort? Die Artikelserie „Farm-Fenster" beleuchtet Aspekte der hiesigen Landwirtschaft und ihre Bedeutung für die Menschen in der Region. Der neunte Teil der Reihe widmet sich der Direktvermarktung in Hofläden und stellt vor, wie die Landwirte in der Region ihre Waren und Lebensmittel vor Ort verkaufen.

„Man hat das Gefühl, dass die Gesellschaft immer weiter wegrückt von der Landwirtschaft. Immer weniger Familien erleben, wie Bauern arbeiten.“ Mit diesen Sätzen eines Landwirts leitet eine große Fast-Food-Kette einen Werbespot ein, in dem sie sich als „stolzer Partner der Landwirtschaft“ präsentiert. Jochen Bonnet teilt diese Einschätzung mit Blick auf die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse: Der Kleinvillarer Vollerwerbs-Landwirt weiß um die Situation und die Außenwirkung der Landwirtschaft, deren wichtige Funktion in der Nahrungsmittel-Erzeugung teilweise immer noch verkannt wird. Allerdings macht er auch andere Erfahrungen: Das Interesse an regional erzeugten Produkten und ihrem Weg vom Feld zum Verbraucher sei durchaus gegeben und habe in der Pandemie noch einmal zugenommen.

Natürlich könne er nur für sich sprechen, sagt Bonnet. Doch der Austausch mit anderen Landwirten zeige, dass es vielerorts zu einem Anstieg der Nachfrage gekommen sei. Das deckt sich mit den Angaben des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE), das einen klaren Trend zu Direktvermarktung und nachhaltigem Konsum sieht. Schätzungen zufolge bringen bundesweit inzwischen 30.000 bis 40.000 landwirtschaftliche Betriebe ihre Erzeugnisse ohne Zwischenhändler an die Endverbraucher.

Unterschiedliche Wege bei der Direktvermarktung

Größere Betriebe setzen meist auf einen Hofladen mit Verkaufspersonal und die Präsenz auf Wochen- und Bauernmärkten. Im gehobenen Preissegment sind für Kunden aus dem urbanen Raum Abo-Modelle oder ein Bestell- und Lieferservice attraktiv, vielleicht sogar ein eigener Versandhandel. Auf der anderen Seite stehen rund um die Uhr funktionsbereite Warenautomaten als Vor-Ort-Lösung.

Im Enzkreis sind inzwischen mehr als 30 solcher Automaten zu finden. Das Sortiment reicht von Eiern, Mehl und Milch über Kartoffeln und Gemüse bis hin zu weiterverarbeiteten Lebensmitteln wie Nudelwaren oder Käse und Wurst. Mancherorts findet die Kundschaft sogar Eisbecher, Marmelade oder Schokolade im Automat. Für ein umfassendes Angebot kommen jedoch eher klassische Hofläden infrage, die neben der Auswahl auch persönlichen Kundenkontakt und Beratung als Trumpf ausspielen.

So wie etwa der Baumbachhof in Kleinvillars, der von der Familie Bonnet seit mehr als 30 Jahren nach Demeter-Richtlinien betrieben wird und ausschließlich Bio-Lebensmittel verkauft. „Unsere eigenen Produkte erfüllen in Demeter-Qualität sehr hohe Standards, und auch bei zugekaufter Ware stellen wir sicher, dass sie nach biologischen Richtlinien erzeugt wurde“, betont Jochen Bonnet. Früher habe man zeitweise nur Verbandsware angeboten, doch mit dem sukzessiven Wachstum des Geschäfts sei klargeworden, dass die Erweiterung des Sortiments mit Bio-Produkten durchaus Sinn mache. „So viele einzelne Produkte, wie wir sie jetzt in den Regalen stehen haben, könnten wir mit reiner Demeter-Ware gar nicht anbieten“, sagt Bonnet. „Deshalb war die Entscheidung richtig.“

 Inzwischen bietet der Laden, den Bonnets Mutter Gisela seit den Anfängen mit einem kleinen Team führt, längst ein Vollsortiment. Schon das Angebot aus eigener Produktion lässt kaum Wünsche offen: Holzofenbrot, Milch, Eier, Käse, Wurst, Rindfleisch, Suppenhühner, Eier, Kartoffeln und Feldgemüse. „Was unsere eigene Ware angeht, sind wir echt breit aufgestellt, aber das heißt nicht, dass wir keine neuen Ideen ausprobieren“, erklärt der passionierte Landwirt. Auf der Suche nach weiteren Eigenproduktionen stellt er sich drei Fragen: Was habe ich? Was kann ich daraus machen? Und wie kann ich es vermarkten?

„Was habe ich? Wie kann ich es vermarkten?“

Bei seinem jüngsten Einfall half Bonnet ein Überschussproblem auf dem Weg zu einem neuen Produkt: „Wir hatten im letzten Sommer viele Eier übrig, da die Menschen wieder alle in den Urlaub gefahren sind.“ Der 37-Jährige kaufte eine professionelle Nudelmaschine samt Trockner und kreierte verschiedene Sorten Nudeln und Spätzle.

Über verschiedene Kanäle wurde die Innovation öffentlich beworben, wobei in der regionalen Direktvermarktung nichts ohne die „Mund-zur-Mund-Propaganda“ geht. „Mit Werbeanzeigen und Präsenz im Internet und in den Sozialen Medien kann man zwar Aufmerksamkeit generieren, aber überzeugend ist letztlich die Qualität“, stellt Bonnet fest. Ungeachtet dessen setzt er im Zeitalter der Digitalisierung keineswegs nur auf den Verkauf vor Ort, sondern plant zukünftig mit einer zweigleisigen Vertriebsstrategie: Ein eigener Online-Shop sei eine Frage der Zeit, selbst wenn das Geschäft gegenwärtig recht gut laufe.

„Hochwertige Nahrungsmittel aus regionaler Produktion werden immer gefragt sein“, ist der Kleinvillarer überzeugt, aber die Erzeuger müssten für die Verbraucher auch dort sichtbar und erreichbar sein, wo sie mehr und mehr unterwegs sind und einkaufen – im Netz. Nur so könne man die Kluft zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft verringern. „Davon profitieren perspektivisch gesehen Mensch und Umwelt.“

kurz und knapp...

Viele der über 460 landwirtschaftlichen Betriebe im Enzkreis vermarkten einen Teil ihrer Produkte direkt. Informationen, beispielsweise den Einkaufsführer „aus der Region für die Region“ sind auf der Internetseite des Landratsamtes unter Landwirtschaftsamt > Ernährung-Hauswirtschaft > Verbraucherinformation zu finden. Die Broschüre kann per E-Mail an landwirtschaftsamt@enzkreis.de bestellt werden.